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Sind Kuren antiquiert?
Oder, anders gefragt: was kann und was bringt eine Kur?

Kuren waren früher einmal ein Privileg der Wohlhabenden. Sie waren in gewisser Hinsicht auch eine Modeerscheinung, wobei der Grandseigneur Goethe das Vorbild abgab. Und Kuren waren in Ermangelung gezielter Behandlungsmethoden oft die einzige Waffe im Krieg gegen bestimmte Krankheiten wie etwa TBC. Die Folge war in der Belle Epoque ein Boom beim Bau neuer Kurhäuser, wie ihn die Welt vorher nie gesehen hatte, und wohl nie wieder sehen wird. Heißt das aber, dass Kurhäuser und Kuren heute nur noch ein liebenswerter Anachronismus sind? Ich meine: nein!

Natürlich haben sich die Indikationsstellungen und die Zielvorgaben in den letzten Jahrzehnten gründlich geändert, und haben den Kuren wichtige ergänzende Aufgaben im Prozess der Heilung und Rehabilitation zuwachsen lassen. Schon der Kostendruck erzwingt das Beschreiten anderer Wege. Es ist doch bestimmt nicht im Sinne der Kostendämpfung, Patienten länger als absolut nötig in einem Krankenhaus der Erstversorgung zu behalten, wenn die Rückkehr ins "normale" Leben auch zu wesentlich geringeren Tagessätzen in einer entsprechend ausgerichteten Kur- oder Reha-Klinik trainiert werden kann.

An diesem Punkt wird allerdings deutlich, dass der unfreiwillige Kurgast andere medizinische, therapeutische und logis-bezogene Anforderungen stellt, als etwa der klassische Kurgast früherer Zeiten, der seine Langweile mit Soletrinken, Kurkonzerten und möglichst einem Kurschatten bekämpfte, statt aktiv an seiner Rehabilitation mitzuwirken.

Das aber bedeutet, dass sich das Umfeld dem Therapieziel anpassen muss. Nicht imposante Wandelhallen und elegantes Ambiente stehen im Vordergrund, sondern zweckmäßige, wohnliche und vor allem behinderten"gerechte" Ausgestaltung bis hin zur Möglichkeit der Ausübung geeigneter moderner Sportarten. Die Anpassung vorhandener, eventuell sogar denkmalgeschützter Bausubstanz an die Erfordernisse der DIN Normen 18024 und 18025 ist ein so weites Feld, dass man es hier gerade einmal streifen, keineswegs aber vertiefen kann.

Das Versetzen einer einzigen Tür kostet heute garantiert mehrere hundert DM; ob das Werk am Ende gelingt, hängt oft vom Zufall ab, denn üblicherweise haben selbst engagierte Architekten nur wenig Ahnung von den Erfordernissen des Barrierefreien Bauens. Am besten fährt noch immer, wer seinem Architekten konkrete Vorgaben mit auf den Weg gibt, doch das kann nur gelingen, wenn man sich vorher selbst kundig macht. Zum Glück gibt es dafür ein hervorragendes Fachbuch, unter Insidern auch "die Bibel des Barrierefreien Bauens" genannt. Das Werk stammt u. a. aus der Feder von Prof. Axel Stemshorn und trägt den Titel "Barrierefrei Bauen für Behinderte und Betagte", umfasst über 500 Seiten mit fast 600 Plänen und Abbildungen, ist erschienen bei der Verlagsanstalt Alexander Koch und kann zum Preis von DM 228,- auch über den Verfasser dieses Aufsatzes bezogen werden. Schon der kleinste Planungsfehler kostet garantiert mehr, als die vorsorgliche Anschaffung dieses Buches. Alle Interessenten erhalten übrigens kostenlos ausführliche Unterlagen über die vom selbst rollstuhl-fahrenden Verfasser entwickelten X'ELTA-Zargen, die sich auch optimal für Renovierungen und Umbauten eignen.

Ein heikler Punkt lässt sich selbst durch teure Umbauten oft nur unbefriedigend lösen: das Bad bzw. die Toilette ist nur sehr schwierig so umzugestalten, dass ein Rollstuhlfahrer damit zurechtkommt. So wird in den erwähnten Normen ausdrücklich der Einbau von Toiletten mit 48 cm Sitzhöhe gefordert. Das mag für Benutzer mit arthrotischen Gelenken ein Vorteil sein, doch verhindert es das Überfahren der Schüssel mit jedem marktgängigen Hygiene-Rollstuhl. Solche Fragen lassen sich nur von Einzelfall zu Einzelfall befriedigend lösen, zumal ja keinesfalls alle Gäste einen Rollstuhl benutzen.

Der Autor hat sich auf die Beratung in derartigen Grenzfällen spezialisiert und gibt sein Fachwissen jederzeit gern weiter. In vielen Fällen kann eine gute Lösung durch den Einsatz des 1999 mit einem Deutschen Erfinderpreis ausgezeichneten Hygiene-Systems artosy erzielt werden. Durch dessen Einsatz kann oft sogar auf den (teuren) nachträglichen Einbau einer mit dem Rollstuhl befahrbaren Duschkabine verzichtet werden, denn das Gerät kann sowohl als Hygiene-Rollstuhl wie auch als komfortabler Badewannen-Duschsitz verwendet werden. Wird das Zimmer von einem "Fußgänger" bewohnt, erinnert nichts daran, dass es zugleich optimal behinderten"gerecht" ist, denn der Rollstuhl steht klein zusammengefaltet im Magazin. Bei Bedarf ist er binnen weniger Minuten einsatzbereit.

Ein weiteres leidiges Thema am Rande: Für viele Rollstuhlfahrer ist die Liegehöhe der Betten zu niedrig, weil das Übersetzen (Transfer) erschwert ist. Optimal wäre natürlich ein in konventioneller Weise elektrisch verstellbarer und zusätzlich höhenverstellbarer Lattenrost. Wer diese Investition scheut, kann aber schon mit recht einfachen Mitteln für Abhilfe sorgen. Statt zu versuchen, das Bettgestell durch Unterpacken von Ziegelsteinen o. ä. anzuheben, empfiehlt es sich, die Erhöhung durch Auflegen einer zusätzlichen Matratze zu schaffen! Um den unausweichlichen Hängematten-Effekt zu verhindern, sollte unbedingt eine sauber besäumte Sperrholzplatte zwischen die beiden Matratzen gepackt werden. Wird die Erhöhung für den nächsten Gast nicht benötigt, stellt man die Teile einfach ins Magazin.

Es würde den Rahmen dieses Beitrages sprengen, weitere Tricks & Tipps aufzugreifen. Statt dessen noch einmal der Rat an alle modern denkenden Beherbergungsbetriebe, sich anhand des erwähnten Buches "schlau zu machen", und bei konkreten Fragen auch auf die reiche Erfahrung des Autors zurückzugreifen, dessen Entwicklungen für den hier angesprochenen Leserkreis optimal zugeschnitten sind.

Und vor allem eines: unterschätzen Sie nicht die wirtschaftliche Bedeutung der kurenden Schwerbehinderten; noch vor fünfzig Jahren waren Rollstuhlfahrer Exoten, die man nur selten in der Öffentlichkeit sah! Heute gibt es allein in der BRD etwa 1/2 Million Rolli-Fahrer, viele davon mitten im Leben stehend, bzw. sitzend, wie etwa Wolfgang Schäuble oder der seit 1985 querschnittgelähmte Autor.

Kontaktadresse: Dipl. Kfm. Kurt R. B. Wanke, Am Weinberg 31, 97076 Würzburg Tel. 0931-2745 -70, fax -60, E-Mail K.Wanke@mfh.de, Internet www.mfh.de