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Rutschbrett als Dekubitus-Falle?

Ein exemplarisches Beispiel für die Unsterblichkeit eines groben Kunstfehlers ist das Beharren auf der konventionellen Bauart von Rutschbrettern, die dem Rollstuhlfahrer das Übersetzen vom Rollstuhl z.B. ins Auto oder ins Bett erleichtern sollen. Von allen Herstellern, Therapeuten und Benutzern wird zu Recht größter Wert darauf gelegt, daß die Oberfläche dieses Hilfsmittels völlig glatt und die Kanten sorgfältig gerundet sind, um die Verletzung der Haut im Sitzbereich zu vermeiden. Selbst die kleinste Schürfung kann bei der oft papierdünnen Haut eines Querschnittgelähmten im Nu zum schwer therapierbaren Dekubitus führen.

Doch fast jedes heute industriell gefertigte Rutschbrett hat entweder ein großes Griffloch oder einen -schlitz zwecks bequemerer Handhabung durch die Hilfsperson. Die aus gutem Grund völlig plane Oberfläche weist an einem Ende, oft sogar an beiden, eine zweckwidrige Vertiefung auf, in die das Sitzbein bei der Benutzung zwangsläufig „einrastet”.

Der kaum noch von Muskeln, Fett- und Bindegewebe umgebene Tuber ischiaticum eines Gelähmten taucht unter dem auflastenden Körpergewicht tief in das Griffloch bzw. den -schlitz ein, und erschwert das Weiterrutschen. Also wird verstärkt horizontaler Zug eingesetzt, um das Sitzbein wieder zu befreien, was zwangsläufig zu einer Scherbewegung an den beteiligten Hautstellen führt. Querschnittgelähmte mit inkompletter Lähmung und verbliebenem Schmerzempfinden bestätigen, daß dies sehr schmerzhaft ist, zumal, wenn es sich zwangsläufig mehrfach täglich wiederholt. Komplett Gelähmte verspüren zwar keinen Schmerz, werden jedoch – ohne es zu ahnen – im ohnehin dekubitusgefährdeten Bereich in gefährlicher Weise geschädigt.

Da das Griffloch bzw. der -schlitz nur der etwas bequemeren Handhabung dient, kann es ohne wesentlichen Nachteil entfallen. Wenn aber partout ein Loch gewünscht wird, z.B. um das Rutschbrett aufhängen zu können, dann darf es keinesfalls größer als max. 20 mm und sollte nur in einer Ecke angeordnet sein, keinesfalls aber in der Mittellinie, weil gerade dort das Sitzbein normalerweise entlang gleitet. Auch bei geringem Durchmesser und Anordnung in einer Ecke müssen die sorgfältig gerundet sein. Aber noch sicherer ist es, ganz darauf zu verzichten.

Kurt R. B. Wanke

Kontaktadresse:
Am Weinberg 31, 97076 Würzburg, Tel./Fax: 09 31 / 27 45 50

Veröffentlicht in: Heilberufe ambulant
Heft 9, 2.1998

Anmerkung:

Aus dieser Erkenntnis wurde die Konstruktion des mfh-Rutschbretts safe entsprechend geändert; das mittige Griffloch entfällt. Als weitere Verbesserung erhält es auf der Unterseite eine rutschfeste Beschichtung, damit es noch sicherer auf dem Polster des Rollstuhls aufliegt.