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Wenn Therapietisch und Toilettenstuhl nicht kompatibel sind

Natürlich wissen Sie, was ein Straßenrollstuhl ist. Auch was ein Therapietisch ist, wissen alle Fachleute und die Betroffenen, die solch einen praktisches Anbauteil an ihrem Rollstuhl haben. Nur schade, daß der Rollstuhl samt Therapietisch nicht zum Abführen benutzt werden kann.

Wissen Sie auch, was ein Scala-Mobil ist? Klar, das ist ein Gerät, mit dem man einen Rollstuhl samt Benutzer über Treppen fahren kann, wenn keine Rampe und kein Aufzug vorhanden ist. Ohne Zweifel ein sinnvolles Gerät, das nur den Nachteil hat, daß man es ebenfalls nicht zum Abführen benutzen kann.

Wenn man aber schon beides hat, dann grenzt das nach Ansicht der POSTBEAMTENKRANKENKASSE ohnehin schon an Überversorgung, wie aus dem Schreiben an einen Versicherten hervorgeht. Hatte der sich doch erdreistet, für seine auf den Rollstuhl angewiesene Ehefrau einen vom Arzt verordneten Reisetoilettenstuhl zu beantragen!

Wörtlich schreibt ihm daraufhin die PBeaKK: „Aus Sicht der Postbeamtenkrankenkasse ist die medizinische Notwendigkeit und Angemessenheit für den o. g. artosy-travel-Toilettenstuhl nicht gegeben, da, laut unseren Unterlagen, bereits eine konventionelle Versorgung mit einem Toilettenstuhl vorhanden ist und auch eine anderweitige umfangreiche Hilfsmittelausstattung mit z.B. dem Scala-Mobil sowie dem Rollstuhl mit Therapietisch gegeben ist. Bei welchen eine spätere Kompatibilität mit dem artosy-travel-Toilettenstuhl in Frage zu stellen ist.“

Für einen scharf abgerichteten Kassensachbearbeiter ist die Frage der „medizinischen Notwendigkeit und Angemessenheit“ eines für die Abwesenheit vom Wohnort dringend erforderlichen Toilettenstuhls leicht zu verneinen. Soll der Behinderte doch - bitte sehr - brav in seinen vier Wänden bleiben, und wenn ihn doch das Fernweh packt, gefälligst im Bett liegend auf einer Windel abführen. Merke: „Angemessenheit“ ist ein Gummibegriff und kein einklagbarer Anspruch.

Wie großzügig dagegen von der Kasse, der Versicherten neben dem Scala-Mobil auch noch einen Rollstuhl mit Therapietisch zu genehmigen! Schon da muß sich einem kostenbewußten Sachbearbeiter ja geradezu der Verdacht einer möglichen Überversorgung aufdrängen. Und daß er die „Kompatibilität“ eines Toilettenstuhls mit dem vorhandenen Rollstuhl anzweifelt, zeugt ebenso von seiner Sachkunde wie sein gekonnter Umgang mit gestelzten Fremdwörtern.

Da könnte ja jeder kommen und sich nach Herzenslust mit Hilfsmitteln eindecken! Also, entweder Rollstuhl mit Therapietisch oder Toilettenstuhl, aber doch nicht beides! Angesichts von 5 Millionen Arbeitslosen fällt es mir nicht leicht, der PBeaKK meinen wohldurchdachten Vorschlag zur Kostendämpfung vorzutragen. Aber wäre es für unser Gesundheitswesen nicht eine spürbare Entlastung, derart „kompetente“ Sachbearbeiter Herrn Jagoda von der Bundesanstalt für Arbeit zur freien Verfügung zu überstellen?

Kurt Wanke, Würzburg

Veröffentlicht in: HANDICAPPED-Kurier
Mobilität, Reisen, Freizeit & Nachrichten
Das Magazin für Behinderte
Verlag FMG, Heft 3/1998