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Serie „Hilfsmittelbranche im Wandel" (II): Gesetzlicher Auftrag des MDK

Kompetenz-Anmaßung beim Prüfauftrag für Hilfsmittel
von Klaus Wiedenbeck

Die Tätigkeit des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) fällt immer dann besonders auf, wenn dem Leistungserbringer ein Geschäft entgeht, weil der MDK der Krankenkasse empfiehlt, die Kosten der beantragten Versorgung nicht zu übernehmen. Der Autor, Klaus Wiedenbeck (Orthopädie Consult Potsdam), ist Sachverständiger für technische Hilfen für behinderte Menschen.

Mit der Schaffung des Wirtschaftlichkeitsgebotes im § 12 des SGB V wurde den Krankenkassen unmittelbar die Verantwortung zur Einhaltung der Wirtschaftlichkeit übertragen. Weiterhin wird das Vorstandsmitglied einer Krankenkasse für den Fall schadensersatzpflichtig gemacht, dass in seinem Hause Leistungen ohne Rechtsgrundlage oder gegen geltendes Recht erbracht wurden, und er hiervon wusste oder es hätte wissen müssen. Die fachliche Kompetenz eines Versicherungskaufmannes, der nun plötzlich für seine Bewertung, ob die zu erbringende Leistung ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist, persönlich haftet, wurde damit klar überfordert.

Deshalb wurde den Leistungsprüfern der Krankenkassen ein mit Ärzten besetzter externer Prüfdienst zur Begutachtung und Beratung zur Seite gestellt. Dies war die Geburtsstunde des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen. Der Gesetzgeber regelte die Aufgaben des MDK und seine Grenzen im § 275 SGB V. Dabei sollen die Ärzte des MDK die notwendige Fachkompetenz für die medizinische Prüfung im Einzelfall einbringen.

Kein Eingriff in die ärztliche Behandlung erlaubt

Es werden hier nur der Aufgabenbereich und die Zuständigkeit des MDK für die Versorgung mit orthopädischen Hilfsmitteln betrachtet. Die Krankenkassen können in geeigneten Fällen vor der Bewilligung eines Hilfsmittels durch den MDK prüfen lassen, ob das Hilfsmittel erforderlich ist (§ 33). Der MDK hat den Versicherten zu beraten und mit den Orthopädischen Versorgungsstellen zusammenzuarbeiten. Die Ärzte des MDK sind bei der Wahrnehmung ihrer medizinischen Aufgaben nur ihrem ärztlichen Gewissen unterworfen. Sie sind nicht berechtigt, in die ärztliche Behandlung einzugreifen.

Nur zwei Kriterien zählen

Der sich hier aufdrängende scheinbare Widerspruch des Abs. 3 lässt sich leicht aufklären. Der Hinweis auf den § 33 grenzt den Prüfauftrag dahingehend ein, dass hier nur festgestellt werden kann, ob ein Anspruch des Versicherten nach dem § 33 besteht oder ob das verordnete Hilfsmittel nicht als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen ist. Nur unter diesem strikt einzuhaltenden Gesichtspunkt darf der Arzt des MDK die Erforderlichkeit des Hilfsmittels prüfen! Sollte hier ein Verstoß festgestellt werden, hat er dem Leistungsprüfer der Krankenkasse zu empfehlen, die Kostenübernahme abzulehnen.

Eigenmächtig den Prüfauftrag erweitert

Im Laufe der Jahre hat der MDK aus seinem ungebrochenen Selbstverständnis heraus eigenmächtig und ohne Rechtsgrundlage seinen Prüfauftrag ständig erweitert. So bezweifelt der MDK neuerdings die Diagnose und die Therapie des behandelnden Arztes. Angestellte Nichtmediziner überprüfen Kostenvoranschläge und mäkeln an den vom behandelnden Arzt verordneten technischen Komponenten herum. Pflegekräfte korrigieren dreist die Ärzte und verursachen durch rechtswidrige Leistungsverweigerung unzähliges Leid bei den Versicherten.

Über eine medizinische Notwendigkeit, die schon vom behandelnden Arzt durch seine Verordnung festgestellt wurde, hat der Arzt des MDK aber nicht zu befinden. Es ist ihm untersagt, in die Therapie und Behandlung des verordnenden Arztes einzugreifen. Ebenso ist es unzulässig, dass der Arzt des MDK Kostenvoranschläge und technische Komponenten des Hilfsmittels begutachtet und daraus eine Ablehnung formuliert.

Rechtswidrige Unterversorgung

Die von manchen Ärzten des MDK praktizierte so genannte Umversorgung am behandelnden Arzt vorbei ist daher absolut rechtswidrig! Vollkommen abwegig gestaltet sich der Prüfauftrag des MDK, wenn angestellte Handwerker oder Pflegekräfte zur ärztlich verordneten Therapie unzulässigerweise Stellung nehmen und sich anmaßen, „Gutachten" zu erstellen. Wenn dann ein Handwerker körperliche Untersuchungen durchführt und anschließend die medizinische Notwendigkeit der verordneten Versorgung bezweifelt, weiß man, wie weit sich der MDK von seiner gesetzlich vorgeschriebenen Verfahrensweise entfernt hat.

Sparen ohne Rücksichten

Absurd ist auch der Zustand, dass die personaltechnische Bewertung der Leistung eines Prüfers häufig direkt an seinem Einsparvolumen gemessen wird. Dafür ist ihm kein Rechentrick zu schade. Nur so ist zu erklären, warum die Prüfer, trotz fehlender oder falscher Argumente, so zäh ihre Ablehnung eines Hilfsmittels verteidigen. Das Einsparvolumen des Kollegen ist wahrscheinlich schon größer und muss schnellstens eingeholt werden!

Fazit: Es wird höchste Zeit, dass das Arbeitsverhältnis zwischen Kostenträgern und Leistungserbringern wieder auf die gesetzlichen Grundlagen zurückgeführt wird.

(In den weiteren Teilen der Serie geht es um folgende Themen: Definitionsproblematik: Hilfsmittel oder Gegenstand des täglichen Bedarfs; Checkliste zur sicheren Verordnung von Hilfsmitteln in Pflegeeinrichtungen.)

Veröffentlicht in: MTD, Medizinisch-Technischer Dialog
Heft 5/2000